Die Gesundheitsreform

Unsere Regierung und die Gesundheitsreform, der lange Weg bis zur Einigung
Unumstritten ist sie nicht, doch wenigstens ist die Reform einen Schritt weiter gekommen.

Langer Weg zur Einigung -
Die Stationen der Verhandlungen mal zusammengefasst für Euch:
30. November 2005:
Merkel verspricht in ihrer Regierungserklärung einen "neuen Ansatz". In den Koalitionsverhandlungen konnten die Parteien wegen der unterschiedlichen Modelle - Kopfpauschale der Union und Bürgerversicherung der SPD - keinen Kompromiss erzielen.
29. März 2006:
Die Regierungsparteien einigen sich auf grundsätzliche Ziele der Reform. 6. April 2006:
Eine Arbeitsgruppe aus jeweils acht Vertretern von Union und SPD aus Bund und Ländern soll Eckpunkte der Reform ausarbeiten.
11. April 2006:
Unionsfraktionschef Volker Kauder schlägt vor, die Krankheitskosten kostenlos mitversicherter Kinder aus Steuermitteln zu finanzieren. Zudem will er die Errichtung eines Gesundheitsfonds, in den die Beiträge von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und eventuell Steuermittel fließen. Daraus sollten die Krankenkassen einheitliche Beträge für jeden Versicherten erhalten. Die Idee stammt ursprünglich aus dem wissenschaftlichen Beirat des Gesundheitsministeriums
12. April 2006:
Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen kritisieren den Fonds, im Juni schließen sich Arbeitgebervertreter und private Krankenversicherungen der Kritik an.
18. Juni 2006:
Erstmals setzt sich Merkel öffentlich für die Einführung eines Gesundheitsfonds ein. CSU-Chef Edmund Stoiber droht mit einer Verschiebung der Reform, sollten deshalb die Steuern erhöht werden.
25. Juni 2006:
Die große Koalition verständigt sich darauf, das Gesundheitssystem teilweise aus Steuern zu finanzieren.
3. Juli 2006:
Union und SPD einigen sich auf Eckpunkte, darunter die Einführung eines Gesundheitsfonds. Krankenkassenkosten für Kinder sollen von 2008 an stufenweise aus Steuern finanziert werden.
6. September 2006:
Die Gesundheitsreform soll nach dem Willen Merkels um drei Monate verschoben und statt Januar erst zum 1. April kommen. An der Einführung des Gesundheitsfonds 2008 will Merkel festhalten.
26. September 2006:
Begleitet von immer heftigeren Schuldzuweisungen legen Union und SPD den kleineren Teil ihres Streits bei und verständigen sich etwa beim Beitragseinzug und dem künftigen Verband der Krankenkassen.
2. Oktober 2006:
Experten von Union und SPD einigen sich auf zentrale Regelungen für die privaten Krankenkassen und den erweiterten Risikostrukturausgleich für die gesetzlichen Kassen. Weiter keine Lösung gibt es bei der SPD-Forderung nach einer Ein-Prozent-Klausel, mit der Zusatzbeiträge für die Krankenkassen begrenzt werden sollen.
4. Oktober 2006:
Politiker von CDU, CSU und SPD kommen am Abend im Kanzleramt zu einer Spitzenrunde zusammen, um die noch Streitpunkte der Reform aus dem Weg zu räumen.
5. Oktober 2006:
Nach siebenstündigen Verhandlungen legen die Spitzen der Koalition in der Nacht ihren Streit über die Reform bei. Die SPD setzt sich mit der Ein-Prozent-Klausel für mögliche Zuzahlungen durch. Die Einführung des Gesundheitsfonds wird von 2008 auf 2009 verschoben. CSU-Chef Stoiber stellt die Einigung bis zur Prüfung der endgültigen Gesetzesformulierung unter Vorbehalt.

Das steht seid neuesten drin:
Gesundheitskompromiss
Nach monatelangem Streit, heftiger Kritik und Änderungen in letzter Minute haben Union und SPD sich auf eine Gesundheitsreform geeinigt.

Die wichtigsten Punkte:
Kassenbeiträge
Zunächst kommen auf Gesetzlich Versicherte höhere Beiträge zu - was nur zum Teil mit der Gesundheitsreform zusammenhängt: So kürzt die große Koalition den Steuerzuschuss an die Kassen und der Anstieg der Mehrwertsteuer macht Medikamente teurer. Mit der Reform kommt allerdings hinzu, dass die Kassen bis zur Einführung des Gesundheitsfonds 2009 ihre Schulden abbauen müssen - und zwar aus eigener Kraft. Im kommenden Jahr wird der Beitragssatz von derzeit durchschnittlich 13,3 auf mindestens 13,8 Prozent steigen. Bis 2009 erwarten die Kassenverbände einen Anstieg auf schätzungsweise 15,9 Prozent.
Gesundheitsfonds
Der Gesundheitsfonds, das Herzstück der Reform, wird erst zum 1. Januar 2009 und damit etwa ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant eingeführt. In ihn sollen Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern fließen. Die gesetzlichen Kassen erhalten dann für jeden Versicherten den gleichen Beitrag aus dem Fonds. Zur beitragsfreien Mitversicherung der Kinder fließen ab 2008 außerdem Steuermittel an die Kassen, allerdings nur allmählich. Beides - Steuerzuschuss und Beiträge - soll zum Start des Gesundheitsfonds die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) weitestgehend decken. Ab 2009 bestimmen nicht mehr die Krankenkassen über die Höhe der Versichertenbeiträge. Vielmehr werden bundesweit einheitliche Beiträge erhoben.
Zusatzbeitrag
Kommen die Krankenkassen mit dem Geld aus dem Fonds nicht aus, können sie von ihren Versicherten einen Zusatzbeitrag erheben. Die SPD konnte sich bei der besonders heftig umstrittenen Ein-Prozent-Klausel weitgehend durchsetzen: Die Zusatzprämie bleibt grundsätzlich auf ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens begrenzt. Allerdings dürfen die Kassen einen Zusatzbeitrag von bis zu acht Euro erheben, ohne dass das Einkommen des Versicherten überprüft werden muss. Im Einzelfall - etwa bei Arbeitslosengeld-II-Empfängern - könnte das dazu führen, dass der Zusatzbeitrag mehr als ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens ausmacht.
Basistarif
Alle Bürger sollen künftig krankenversichert werden. Derzeit nicht Versicherte müssen von ihrer früheren Krankenversicherung wieder aufgenommen werden. Das gilt sowohl für die Gesetzlichen als auch für die Privaten. Die PKV muss dazu ab 2008 einen Basistarif anbieten, der die Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse abdeckt und nicht teurer sein darf, als der durchschnittliche Satz der gesetzlichen Kassen - derzeit rund 500 Euro monatlich (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil). Auch bereits privat Versicherte können in diesen Basistarif wechseln. Die sonst in der PKV übliche Gesundheitsprüfung gibt es bei diesem Tarif nicht. Wer unter dem Existenzminimum lebt, zahlt für den Basistarif nur die Hälfte. Die Differenz sollen zu einem Großteil die Sozialbehörden übernehmen.
Versicherungswechsel
Um den Wechsel innerhalb der PKV zu erleichtern, können Versicherte ihre Alterungsrückstellungen, die die privaten Kassen jeweils für die kostenintensiveren Behandlungen im Alter aufbauen, künftig mitnehmen - allerdings nicht die gesamte Rückstellung, sondern nur den Teil, der dem Basistarif entsprechen würde. Die Mitnahmeregelung wird schrittweise bis 2013 eingeführt und gilt zunächst nur für Versicherte, die älter als 40 Jahre sind. Bei einem Wechsel von der PKV in eine gesetzliche Kasse kann die Rückstellung allerdings nicht mitgenommen werden. Darauf hatte die SPD ursprünglich gedrungen.
Wechsel in die Privatversicherung
Gleichzeitig wird der Wechsel von der gesetzlichen Krankenversicherung in die Private erschwert. Mitglied der PKV darf nur werden, wer mindestens drei Jahre lang ein Monatseinkommen oberhalb der Pflichtversicherungsgrenze bezieht - das sind aktuell 3937,50 Euro monatlich. Bislang war der Wechsel lediglich mit dem Überschreiten der Grenze möglich.
Risikostrukturausgleich
Zeitgleich mit dem Gesundheitsfonds soll auch der neue Risikostrukturausgleich (RSA) zwischen den Kassen starten. Das erklärt auch die Verschiebung des Fonds. Koalitionspolitiker, aber auch die Kassen hatten auf die parallele Einführung beider Systeme gedrungen. Der Finanzausgleich soll künftig an 50 bis 80 Krankheiten orientiert werden. So müssen beispielsweise Kassen mit vielen älteren Versicherten deutlich mehr für Diabetes oder Herzkreislaufkrankungen ausgeben. Diese Kassen erhalten dementsprechend höhere Summen aus dem Fonds als Kassen mit jüngeren Mitgliedern. Um die Kassen in Ländern mit vielen einkommensstarken Beitragszahlern wie Bayern oder Baden-Württemberg nicht über Gebühr durch den Finanzausgleich zu belasten, gibt es eine Übergangsphase, während der die Mehrbelastungen der Kassen eines Landes zunächst auf 100 Millionen Euro jährlich begrenzt werden. Damit kam die Koalition Forderungen reicherer Länder wie Bayern entgegen.
Vorsorge
Wer Vorsorgeuntersuchungen versäumt und später schwer krank wird, muss höhere Zuzahlungen leisten. Chronisch Kranke profitieren nur noch von der Begrenzung der Zuzahlungen auf ein Prozent des Einkommens, wenn sie an regelmäßiger Vorsorge oder speziellen Programmen teilgenommen haben.
Leistungen
Die Leistungen der Krankenkassen werden nur marginal gekürzt. Bei Folgeerkrankungen nach Piercings, Tattoos und medizinisch nicht notwendigen Schönheits-OPs muss der Versicherte für die Kosten aufkommen. An anderer Stelle werden die Leistungen der Kassen dagegen ausgeweitet: bei empfohlenen Impfungen, Eltern-Kind-Kuren sowie der Betreuung Schwerstkranker und Sterbender in den eigenen vier Wänden. Schwerstkranke erhalten spezielle Betreuung in ihrem häuslichen Umfeld.
Medikamente
Vor der Verordnung neuer, teurer Spezialmedikamente muss die Meinung eines zweiten Arztes eingeholt werden. Das soll Kosten sparen. Die Kassen erhalten zudem mehr Spielraum, um mit den Herstellern günstige Preise auszuhandeln. Auch Apotheker sollen Rabatte aushandeln: Bislang erfolgt die Arzneimittelabgabe nach vorgegebenen Preisen. Künftig soll die Verordnung auf Höchstpreise umgestellt werden, so dass dann Apotheken mit Herstellern niedriger Preise vereinbaren können. Werden binnen eines Jahres nicht 500 Millionen Euro eingespart, müssen die Apotheker die Differenz tragen.
Ärzte
Ebenfalls zum 1. Januar 2009 wird eine neue Gebührenordnung für Ärzte eingeführt, mit der das bisherige komplizierte Honorierungssystem nach Punkten abgeschafft wird. Die erbrachten Leistungen werden künftig in Euro und Cent abgerechnet. Die Details müssen erst noch ausgearbeitet werden.
Bürokratie
Statt bislang sieben Krankenkassen-Spitzenverbänden soll es künftig nur noch einen geben. Fusionen sollen auch zwischen verschiedenen Kassenarten möglich werden. Auch die Selbstverwaltung von Ärzten und Kassen soll straffer organisiert werden.
Sanierungsbeitrag der Kliniken
Der Plan, den Kliniken ein Prozent ihres Budgets - rund 500 Millionen Euro - als Beitrag für die Sanierung der Kassen abzuverlangen, wurde nach heftigen Klinikprotesten etwas entschärft. Kliniken mit weniger Behandlungsfällen sollen nun auch weniger bezahlen. Angerechnet werden soll nicht verbrauchtes Geld, das für bestimmte Behandlungen im Rahmen der so genannten integrierten Versorgung bestimmt ist, also für eine zwischen verschiedenen Anbietern besser abgestimmten Versorgung.

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