Datenschutz

Zugegeben: Als Wort ist er durchaus bekannt. Aber gibt es den Datenschutz wirklich noch? Oder ist er womöglich nur eine leere Worthülse, die von einer längst vergangenen Epoche kündet? Wer verstehen will, wofür dieser Kampfbegriff einmal stand, muss auf eine Zeitreise gehen.

Es begab sich aber zu der Zeit, als ein Gebot vom Bundestag ausging, dass alle Welt sich schätzen ließe. Und diese Schätzung war die erste seit siebzehn Jahren und geschah zu der Zeit, da Helmut Kanzler in Deutschland war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seiner Stadt. Doch siehe: Da waren manche, die wollten sich nicht schätzen lassen. Die aber gingen hin und schrieen: "Überwachungsstaat!" und "Meine Daten müsst ihr raten!" Und es war große Aufregung unter den Menschen.

Die Volkszählung im Jahr 1987 hatte Emotionen freigesetzt, die Nachgeborene kaum mehr verstehen können. Dabei war das Instrument Volkszählung keineswegs neu. Schon in babylonischer und römischer Zeit war die Volkszählung ein übliches Verfahren - wie ein weltbekanntes Buch bezeugt. Seit dem 17. Jahrhundert versuchten die Bürokratien moderner Staaten ihre Untertanen im Zehnjahresrhythmus zu katalogisieren, was diese in der Regel klaglos über sich ergehen ließen. Erst im Jahr 1981 wollte sich das Volk nicht zählen lassen. Es zog gegen die geplante Statistik vor Gericht und so wurde das Austeilen der Fragebögen immer wieder verschoben. Rund um das sogenannte Orwell-Jahr 1984, war der Datenschutz ein Thema mit ebenso hohem Erregungspotential wie Waldsterben oder saurer Regen.
Deutschland ist auf dem Weg zum Überwachungsstaat
Zu dieser Zeit saßen im Parlament mit Strickzeug und Turnschuhen erstmals die bärtigen Angehörigen einer Partei, die nicht nur das neumodische Wort Umwelt (früher Natur oder Schöpfung), sondern auch den Kampf gegen die "Volksaushorchung" zu einem Hauptanliegen erklärt hatte. Schon 1981 hatte der Europarat ein Papier unterzeichnet, das mit einem Bandwurmnamen
Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten, kurz "Konvention 108" heißt. Im Kern geht es darin um die Anonymisierung des Einzelnen bei der Speicherung persönlicher Informationen. All dies ist lange her und als Kampfbegriff scheint der Datenschutz heute nicht mehr satisfaktionsfähig.
Nun lodert die Debatte immerhin noch einmal kurz auf. Die Staatsanwaltschaft Sachsen-Anhalt fahndete nach Nutzern von Kinderpornographie und überprüfte dafür rund 22 Millionen Kreditkarten. Mit Hilfe eines "elektronischen Steckbriefes" gingen ihr vor wenigen Tagen 322 Verdächtige ins sprichwörtliche Netz. Der fraglos gute Zweck scheint die Mittel zu heiligen - doch tut er das wirklich? "Wir entwickeln uns zu einer Gesellschaft, in der immer mehr Überwachung stattfindet", stellte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz fest und erinnerte die Öffentlichkeit bei dieser Gelegenheit an seine Existenz. Noch deutlicher wurde der Präsident des Bundes deutscher Steuerzahler, als er sagte, Deutschland sei auf dem Weg zum "Überwachungsstaat, wie wir ihn uns nicht vorstellen können".

Technische Spielereien untergraben den Datenschutz
Tatsächlich schenken wir gläsernen Bürger unsere Daten nicht nur den Kreditkartenunternehmen. Freudig lassen wir unsere Gesichter biometrisch vermessen um den schicken USA-tauglichen Reisepass zu erwerben und tauschen widerspruchslos unsere alten Pappen gegen den neuen E-Führerschein. Unsere Mobiltelefone funken Privat- und Geschäftsgespräche in alle Welt, persönliche Informationen wandern über E-Mails sonst wohin und bei Anbietern wie MySpace oder StudiVZ legen wir freiwillig nicht nur unsere Konsumgewohnheiten, sondern gleich noch unseren Freundeskreis offen. Das gute alte Wort Datenschutz verblasst dabei wie die Erinnerung an einen alten Hit aus den achtziger Jahren - mit jeder neuen technischen Spielerei ein bisschen mehr. Stirbt das Wort womöglich ganz aus?
Ich machte die Probe aufs Exempel und fragte einen jüngeren Kollegen, ob ihm das Wort Datenschutz noch etwas sage. Der Kollege wurde schlagartig ernst. "Selbstverständlich, der Datenschutz wird bei mir ganz groß geschrieben", erklärte er wichtig und zählte an einer Hand auf: "Aktuelle Daten schütze ich auf dem USB-Stick, wichtige Dateien brenne ich auf DVD und alle paar Monate ziehe ich alle Inhalte auf eine externe Platte. Außerdem habe ich eine Firewall und aktualisiere täglich meinen Virenscanner." "Sehr gut", lobte ich resigniert. Wahrscheinlich ist das wirklich der beste Datenschutz, den man heute haben kann.
Denkt darüber einmal nach ! Wie seht Ihr das ?

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