Depression, meist eine Krankheit auf Lebenszeit?

Die Depression ist eine schwere, oft lebensbedrohliche Krankheit. Trotzdem gilt sie als gut behandelbar, wenn die Therapie frühzeitig beginnt und die Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden.
Depressionen sind keine vorübergehenden Verstimmungen oder Durchhänger, sie sind auch nicht zu verwechseln mit einer winterlichen Melancholie. Es handelt sich vielmehr um eine ernste Krankheit, die in der akuten Phase den gesamten Alltag beeinträchtigen und den betroffenen Menschen praktisch handlungsunfähig machen kann. Betroffene berichten von "absoluter Gefühllosigkeit", sie können nicht mehr denken, nicht mehr handeln und fühlen eine grenzenlose Leere und Sinnlosigkeit.
In nicht wenigen Fällen führt die Krankheit sogar zum Tod: Bis zu 15 Prozent der Patienten mit schweren depressiven Störungen versterben durch Selbstmord, ca. die Hälfte begehen in ihrem Leben einen Suizidversuch.

Für die Betroffenen und ihre Angehörigen ist es wichtig zu wissen, dass die Prognose der Erkrankung trotzdem günstig ist. Immerhin 30 Prozent der Depressionen vergehen von selbst. Die Patienten erleiden nur eine kleine bestimmte Zeit, und danach geht es ihnen wieder besser. Bei etwa 60 Prozent kommt es zu wiederholten depressiven Episoden. Dazwischen können sie von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren vollkommen beschwerdefrei sein. Dann ist es wichtig, dass die Betroffenen professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Werden alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft, können in vielen Fällen die depressiven Episoden zum Abklingen gebracht und neuen Krankheitsphasen vorgebeugt werden. Bei Patienten, die trotzdem immer wieder unter Krankheitsschüben leiden, bei denen die Krankheit also chronisch ist, kann eine Behandlung dafür sorgen, dass sie deutlich kürzer und weniger schwer verlaufen. Es sind ca. 10 bis 15 Prozent davon betroffen.
Die wichtigsten Säulen der Therapie sind heute die Behandlung mit Medikamenten (Antidepressiva) und die Psychotherapie - je nach Schwere der Erkrankung - einzeln oder in Kombination.
Die Antidepressiva normalisieren den Stoffwechsel im Gehirn, der bei einer Depression aus dem Gleichgewicht geraten ist. Sie fördern die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen durch die Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin. Vor allem in der akuten Krankheitssituation dienen die Medikamente der Stabilisierung des Patienten, ohne die eine Behandlung mit psychotherapeutischen Verfahren gar nicht möglich wäre. Für die Betroffenen ist es wichtig zu wissen, dass die heutigen Medikamente sehr gut vertragen werden und dass unerwünschte Nebenwirkungen, die zu Beginn der Behandlung auftreten, im weiteren Verlauf meist auch wieder abklingen.
Unter den psychotherapeutischen Verfahren ist bei Depressionen die Wirksamkeit der Verhaltenstherapie am deutlichsten nachgewiesen: Der therapeutische Effekt besteht darin, dass die Depressionen als erlerntes Fehlverhalten gedeutet und durch Einüben neuer Verhaltensweisen überwunden werden.
Je nach Ursache der Erkrankung können aber auch tiefenpsychologisch fundierte Verfahren oder eine klassische Psychoanalyse sinnvoll sein.
Bei beiden Verfahren geht man davon aus, dass die Erkrankung auf unbewussten inneren Konflikten beruht, die durch negative oder traumatische Erfahrungen in der Geschichte/Kindheit ausgelöst wurden. Die Therapie besteht darin, die Konflikte bewusst zu machen und durch wiederholtes Erinnern und Durchleben aufzulösen.
Alternativ oder ergänzend werden noch eine Reihe weiterer Therapien eingesetzt. Zum Beispiel:
Johanniskrautpräparate: Sie wirken auf die gleichen Botenstoffe im Gehirn und zeigen Erfolge bei der Behandlung leichter und mittelschwerer Depressionen. Von einer Selbstbehandlung ist allerdings abzuraten, da freiverkäufliche Produkte oft zu niedrig dosiert sind.
Elektrokrampftherapie (EKT): Sie wird bei Patienten mit schweren Depressionen eingesetzt, bei denen medikamentöse und psychotherapeutische Behandlungsversuche fehlgeschlagen sind. Ein kurzer elektrischer Stromstoß löst einen künstlichen epileptischen Krampfanfall aus.
Transkranielle Magnetstimulation (TMS): Ein neues, der EKT verwandtes Verfahren. Ein veränderliches Magnetfeld stimuliert die Nervenzellen in der Hirnrinde. Leider stehen Studien zur Wirksamkeit noch aus.
Schlafentzug: Der Patient bleibt dabei eine ganze Nacht oder die zweite Nachthälfte (partieller Schlafentzug) sowie den darauffolgenden Tag lang wach. Die meisten Patienten erleben nach einer solchen durchwachten Nacht eine deutliche Stimmungsaufhellung und eine Normalisierung ihres Schlafrhythmus. Meistens allerdings, hält der positive Effekt nur ein bis zwei Tage an.
Lichttherapie: Sie wird vor allem bei saisonal abhängigen Depressionen (so genannte Winterdepressionen) als unterstützendes Therapieverfahren eingesetzt.
Bewegung: Laut einer Vergleichsstudie der Duke University (North Carolina) kann sich schon ein dreimal wöchentliches Halbstundentraining positiv auf Depressionen auswirken.

Um erneuten Krankheitsphasen vorzubeugen, kann bei vielen Depressionspatienten eine medikamentöse Langzeitbehandlung helfen. Sie ist vor allem dann sinnvoll, wenn bereits mehrere schwere depressive Episoden aufgetreten sind. Die Patienten bekommen eine so genannte Erhaltungstherapie mit Antidepressiva.
Besonders wichtig ist für die Betroffenen, dass sie mit ihrem behandelnden Arzt Gesprächstermine in größeren Abständen vereinbaren. Der Arzt kann sich nach der aktuellen Krankheitssituation des Patienten erkundigen und hat die Möglichkeit, erneute depressive Episoden frühzeitig zu erkennen oder auf Nebenwirkungen der Medikamente zu reagieren.
Traurige Tatsache ist, dass mehr als die Hälfte aller Depressionen nicht erkannt wird. Oft, weil die behandelnden Ärzte sich mit der Erkrankung zu wenig auskennen und die Symptome schlichtweg übersehen oder fehldeuten. In vielen Fällen "versteckt" sich die Krankheit aber auch hinter psychosomatischen Beschwerden. Das können Verdauungsbeschwerden, Appetitlosigkeit oder sogar Herzschmerzen sein. Gehen die Betroffenen zur Untersuchung - in der Regel bei ihrem Hausarzt - stellen sie unweigerlich die körperlichen Symptome in den Vordergrund, was die Diagnose für den Arzt erschwert.
Gründe, warum sich die Betroffenen nicht therapieren lassen, gibt es viele. Nach wie vor gilt die Depression als eine "sozial geächtete" Erkrankung. Betroffene erleben sie als persönliches Versagen und schämen sich, zum Arzt zu gehen; andere unterschätzen ihre Symptome. Oder sie sind von der Krankheit so "beherrscht", dass ihnen die Kraft fehlt, sich Hilfe zu holen. Viele Patienten brechen die medikamentöse Behandlung bei ersten Anzeichen einer Besserung oder aufgrund von Nebenwirkungen ab. Einige sind grundsätzlich nicht offen für eine Psychotherapie oder brechen diese ab, wenn sie ihnen seelisch "zu nahe geht".
Deshalb spielen die Angehörigen für die depressiven Menschen eine so große Rolle: Sie sollten die Therapiemaßnahmen aufmerksam begleiten (z.B. die regelmäßige Medikamenteneinnahme im Auge behalten); allerdings nicht autoritär und kontrollierend, sondern als wohlmeinende Partner. Oft entwickeln sie ein gutes Sensorium für die Krankheit, können Verschlechterungen häufig noch vor den Betroffenen wahrnehmen. Vor allem wenn sich die Erkrankten nicht mehr selbst helfen können, sind sie es, die ihnen Kraft geben und im Notfall für professionelle Hilfe sorgen können.

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